
Nachhaltigkeit im Yoga-Studio: Anspruch und Wirklichkeit
Verfasst: Moritz Ulrich | Lesedauer: 4 Minuten | zuletzt bearbeitet: 26.11.2025
In unserem Studio, Peace Yoga Berlin, ist Nachhaltigkeit nicht nur ein Konzept, sondern eine Haltung, mit der wir seit der ersten Stunde arbeiten. Wir möchten achtsam mit den Ressourcen umgehen, die wir nutzen, und Entscheidungen treffen, die sowohl der Umwelt als auch unserem realen Studioalltag gerecht werden. Perfektion ist dabei nie das Ziel – wohl aber Bewusstheit, Ehrlichkeit und Verantwortungsgefühl.
Das Wichtige in Kürze:
- Nachhaltigkeit als gelebte Praxis: Peace Yoga Berlin versteht Umweltbewusstsein als ehrliche Haltung – Entscheidungen orientieren sich an Achtsamkeit, Verantwortung und den realen Bedingungen des Studioalltags statt an perfektionistischen Erwartungen.
- Bewusste Wahl statt grüner Etiketten: Reinigungsmittel, Studioprodukte, Kokoswasser oder Yogamatten werden nicht pauschal bewertet, sondern hinsichtlich Herkunft, Haltbarkeit, Ressourcen und tatsächlichem Nutzen reflektiert – Pragmatismus statt Ideologie.
- Achtsamkeit über die Matte hinaus: Reisen, Konsum und Unterricht werden mit Mitgefühl statt Moral betrachtet – Nachhaltigkeit wird zum yogischen Weg, der Reflexion, Verbundenheit und Wachstum ohne Scham oder Schwarz-Weiß-Denken ermöglicht.
Ökologische Reinigungsmittel & vegane Produkte
Wann immer es möglich ist, setzen wir auf ökologische Reinigungsmittel und wählen für unsere Boutique Produkte aus, die vegan, tierleidfrei und verantwortungsvoll hergestellt sind. Wir versuchen, Müll zu reduzieren und nachhaltige Alternativen zu nutzen. Gleichzeitig wissen wir: Auch wir stoßen an Grenzen. Der Weg zur Nachhaltigkeit ist ein Prozess – und wir gehen ihn mit so viel Achtsamkeit
wie möglich.
Das Beispiel Kokoswasser: Verantwortlicher Pragmatismus
Ein Beispiel aus unserem Studio-Shop:
Wir verkaufen Kokoswasser in Aluminiumdosen – ganz bewusst.
Denn Recherchen zeigen: Aluminiumdosen haben oft eine bessere Ökobilanz als Glasflaschen, weil sie leichter sind, effizienter transportiert werden und in Deutschland zuverlässig recycelt werden. Perfekt ist auch das nicht, doch es zeigt:
Nachhaltigkeit braucht Abwägung – nicht Ideologie. Es geht darum, den sinnvollsten Weg im jeweiligen Kontext zu wählen.

Ökologische Produkte im Yoga: Wo fängt Sinn an, wo hört Trend auf?
Yogamatten aus Naturkautschuk: Öko oder doch nicht?
Naturkautschuk klingt ideal:
- Naturprodukt
- kein Plastik
- biologisch abbaubar
Aber: Der Rohstoff kommt fast immer aus Südamerika. Die Transportwege sind lang. Und: Viele Naturkautschukmatten nutzen sich schneller ab.
Ein Gegenbeispiel: Eine langlebige Kunststoffmatte, die seit 15–20 Jahren hält, kann am Ende eine bessere Umweltbilanz haben als eine Naturkautschukmatte, die alle zwei bis drei Jahre ersetzt werden muss.
Veganes Essen: Vorteilhaft – aber nicht immer eindeutig
Veganismus hat definitiv positive Auswirkungen:
- geringere CO₂-Belastung
- weniger Wasserverbrauch
- kein Tierleid
Doch auch hier lohnt sich ein zweiter Blick:
- Cashews aus Asien
- Mandeln aus Kalifornien
- Haferdrink in Plastikverpackung

Nachhaltigkeit beginnt nicht beim Etikett – sondern in der inneren Haltung.
Es geht weniger darum, „bessere Menschen“ zu sein, sondern wahrhaftig zu reflektieren.
Yoga-Reisen & Retreats: Der größte blinde Fleck?
Viele Retreats finden in Bali, Costa Rica oder Indien statt. Diese Reisen können transformierend sein – doch der Flug verursacht den größten Teil des CO₂-Fußabdrucks.
Bewusster entscheiden – ohne Schwarzweißdenken
- Yoga Retreats in Deutschland und Europa bieten kürzere Anreisen, oft mit dem Zug.
- Internationale Teacher Trainings (z. B. Jivamukti in Indien) ziehen Menschen aus der ganzen Welt an – egal, wo sie stattfinden, manche fliegen weit, andere nicht.
Wir versuchen zunehmend:
- Zug statt Flug, wo möglich
- bewussteres Reisen
- Verantwortung übernehmen bei unvermeidbaren Flügen
Nicht aus moralischer Überhöhung – sondern aus
ehrlicher Reflexion.

Nachhaltigkeit im Yoga-Unterricht: Bewusstheit statt Zeigefinger
Ein Yoga-Kurs kann ein Raum werden, in dem Bewusstsein wächst – ohne Scham oder moralischen Druck.
Themen, die Verbundenheit schaffen
- Stehende Asanas als Verbindung zur Erde
- Atemübungen als Verbindung zu allen atmenden Wesen
- Naturgeschichten und Reflexionsfragen
- Inspiration statt Bewertung
Warum Scham kontraproduktiv ist
Es geht nicht darum, jemanden zu verurteilen, der:
- gerade geflogen ist
- eine günstige Matte gekauft hat
- nachhaltige Optionen nicht bezahlen kann
Bewusstsein statt Bewertung – Mitgefühl statt Moralismus.

Wo wir selbst streng und wo wir nachsichtig sind
Streng:
- kein Fleischkonsum
- bewusste Produktwahl für das Studio
- sinnvolle, langlebige Verpackungen
Nachsichtig:
- dort, wo Perfektion unrealistisch oder unpraktikabel wäre
- dort, wo das Leben Grauzonen hat
Wichtig: Das gilt nur für mich. Es steht mir nicht zu, andere
zu bewerten.

Nachhaltigkeit im größeren Zusammenhang verstehen
Nachhaltigkeit bedeutet auch: Verhältnismäßigkeit berücksichtigen.
Beispiele:
- Flugverkehr wird oft überschätzt (großer Teil = Fracht & Business)
- Schiffsverkehr für Waren hat enorme Auswirkungen
- Ernährung und Konsum haben oft größeren Einfluss als einzelne Urlaubsflüge
Nicht jede Handlung hat den gleichen Impact. Es geht um das große Ganze, nicht um individuelle Schuld.
Shaming hat keinen Platz im Yoga. Mitgefühl jedoch schon.
Impulsfragen für deine eigene Praxis
- Was bedeutet Nachhaltigkeit für dich wirklich?
- Wo lebst du sie schon, wo noch nicht?
- Welche Entscheidungen triffst du aus Bequemlichkeit?
- Wie denkst du über Menschen, die weniger konsequent sind?
- Wo kannst du Mitgefühl statt Urteil kultivieren?

Fazit: Nachhaltigkeit als yogische Praxis
Nachhaltigkeit ist kein Zustand – es ist eine fortlaufende Übung. Genau wie Yoga.
Es geht nicht darum, perfekt zu sein. Es geht darum, sich immer wieder neu auszurichten:
- Was kann ich heute tun?
- Welchen kleinen Schritt kann ich gehen?
- Wie kann ich meine Entscheidungen bewusster treffen?
Schritt für Schritt. Atemzug für Atemzug.