Neuer Bewegungsspielraum

01/17

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Neuer Bewegungsspielraum

Es gibt eine Geschichte, in der der Schüler zu seinem Lehrer sagt: „Ich habe 8 Jahre bei dem und dem gelernt und 2 Jahre bei so und so und ich weiß alles über dieses und jenes und auch das andere.“ Während dessen gießt der Lehrer eine Tasse Tee ein. Der Schüler berichtet weiter über all seine Erfahrungen und warum der Lehrer ihn unbedingt auch unterrichten müsse. Der Lehrer gießt immer noch den Tee aus der Teekanne. Die Tasse läuft jetzt bereits über und der Tee beginnt über den Tisch zu laufen und auf den Schüler herab zu tropfen. „Was soll das?“, fragt der Schüler. „Bist du verrückt geworden? Warum machst du so etwas?“ Der Lehrer fängt an zu lachen und antwortet: „ Du bist wie diese Tasse hier. Du bist schon randvoll und ich kann dir nichts mehr beibringen. Es wäre, als versuchte ich noch mehr Tee in diese Tasse zu gießen, es würde nicht funktionieren.“

Loszulassen oder das Wieder-freigeben einer zuvor versperrten Bewegungsrichtung ist wichtig, um wieder aufgefüllt zu werden. Das Leermachen ist ein Akt der Hingabe. Hingabe hat für uns oft einen negativen Beigeschmack. Es bedeutet häufig, dass wir verloren haben. In diesem Falle aber ermöglicht es uns, die Dinge wie sie waren hinter uns zu lassen, um das Neue in jedem Augenblick zu empfangen. Wir finden neuen Bewegungsspielraum zusammen mit neuen Möglichkeiten und Gedanken.

In unserer Art uns zu bewegen wird deutlich, wie wir durch unsere Kultur indoktriniert wurden. In einigen Teilen dieser Welt schütteln wir uns die Hände, in anderen wiederum gilt dies als nicht angebracht. Es gibt Unterschiede wie Männer und Frauen sich bewegen und wie Menschen interagieren. Wir erlernen diese Verhaltensweisen. Umso älter wir werden, umso mehr werden wir von unseren Möglichkeiten und selbst auferlegten Regeln eingeschränkt. Die Einschränkung wird noch größer, wenn wir jeden Tag dem gleichen Ablauf folgen.

Ein neuer Weg sich der Zukunft zu stellen, ist es zu erforschen, was möglich ist, anstatt es weiter einzuschränken. Tatsächlich gäbe es tausende Wege zu deinem Arbeitsplatz zu kommen. Stattdessen nehmen wir jeden Tag den gleichen Weg. Der Schlüssel ist, nicht an dem anzuhaften wie wir schon immer unser Leben gelebt haben. Die meisten unserer Entscheidungen treffen wir auf Grundlage unserer Konditionierungen und nicht mit Spontanität, Kreativität und Originalität. Wenn du mit Autoren, Musikern oder Tänzern aufgewachsen bist, ist die Chance einen Blick ins universelle Bewusstsein zu erlangen evtl. etwas größer und damit eine wahre Kreativität zu leben und nicht nur alte Ideen zu wiederholen.

Wir würden alle gerne wissen wie wir einen Schritt nach vorne machen können, ohne andere dabei zu verletzen. Das wäre gut für uns und für andere. Wir sollten unseren Körper in vielen unterschiedlichen Weisen auf der Erde ausrichten, so dass wir verschiedene Perspektiven einnehmen können: auf den Kopf gestellt, richtig herum oder halb umgedreht. All´ das sind wertvolle Dinge, die wir mit unserem Körper machen können. Sie können dich neu programmieren und die Liste der Möglichkeiten zu leben vergrößern. Wir alle haben Vorurteile über unsere eigenen Fähigkeiten. Zum Beispiel so ein Gedanke wie: „Ich habe wenig Kraft im Oberkörper.“ Das ist keine Tatsache sondern nur eine Idee. Es geht nicht ums Gewichtheben, es geht darum, was du zuvor bereits als Möglichkeiten festgelegt hast. „Eine Welt ohne Krieg? Unmöglich!“ So lange du an diesem Gedanken festhältst, wirst du auch in einer Welt leben, in der es keine Möglichkeit gibt ohne Krieg zu leben.

Schau dir dein Hüftgelenk an. Der mögliche Bewegungsspielraum ist groß, wenn du aber nur an deinem Schreibtisch sitzt und selten herumläufst, dann erscheint der Spielraum klein. Das Gelenk kann sein volles Potenzial nicht ausschöpfen. Dieser eingeschränkte Spielraum findet sich auch in deinem Gehirn und Nervensystem. Deine Fähigkeit, neue Sicht- und Lebensweisen zu verstehen und anzunehmen wird genauso limitiert. Die Einschränkungen des Körpers sind ein Abbild der Einschränkungen des Geistes.

Normalerweise lässt der Geist auf Grund seiner Limitierungen eine Handlung entstehen. Das Sanskrit Wort für Handlung ist „karma“. Damit ist jede Form der Handlung gemeint: Worte, Taten oder ein Schritt nach vorn. Das Gesetz des Karma besagt, dass jede Handlung sich immer weiter ausbreitet, irgendwann reflektiert wird und wieder zu dir zurückkommt. Falls du schon mal einen Stein in einen Teich geworfen hast, weißt du, dass dann diese kreisförmigen Wellen entstehen. Wenn sie das Ufer erreichen, beginnen sie zu Ihrem Ursprung zurückzukehren. Jede Handlung, die wir in diesem oder früheren Leben getan haben, steckt also in unserem Körper. Das Ergebnis sind Einschränkungen, Enge und unserer verschlossener Geist. Unsere Unfähigkeit kreativ oder spontan zu sein oder uns neues auszudenken entspringt diesen vergangenen Handlungen. Die Yogapraxis ermöglicht es, dir mit diesen vergangenen Handlungen abzuschließen: Hol sie endlich aus dir raus!

Original im Englischen: David Life
Co – Founder of the Jivamukti Yoga method

Übersetzung ins Deutsche: Moritz Ulrich
Peace Yoga Berlin – Jivamukti Yoga School