07/17
Im Licht der Liebe
Yoga-Praktiken sind magische Praktiken. Magie passiert, wenn es eine Verschiebung in der Wahrnehmung gibt – was man für echt hielt verschwindet, und es enthüllt sich eine erweiterte, erleuchtete Wirklichkeit. Yoga-Praktiken, angetrieben durch eine aufrichtige Absicht zur Selbstverwirklichung, verändern gewöhnliche Sichtweisen auf sich selbst und auf andere. Unsere Gedanken, Worte und Taten sind immer mit unseren Beziehungen verknüpft – das ist das Leben! Für den erleuchteten Yogi aber gibt es keine „Anderen“. Im yogischen Zustand von Samadhi lösen sich die Grenzen, die dich von Gott trennen, und die Grenzen der Welt um dich herum, der Welt des Andersseins, auf. Es braucht schon eine ganze Menge enormer Magie, um eine solche Verschiebung in der Wahrnehmung zu erreichen!
Das Wort „Wahrnehmung“ bedeutet etwas zu „sehen“. Aber es bedeutet, mit mehr als nur den physischen Augen zu sehen. Es bedeutet mehr als nur zu verstehen, sondern zu „realisieren“. Das englische Wort für verstehen, „understand“, impliziert eine Dualität, als ob man „unter etwas“ steht. Aber Dinge wirklich zu realisieren heißt, in etwas vollständig einzutauchen und eine intensive Erfahrung zu machen – eins zu werden mit diesem „etwas“. Genau das ist es, was im Zustand von Samadhi realisiert oder wahrgenommen wird: dadurch, dass wir uns in anderen erkennen, verschwindet die Andersartigkeit und die Liebe als einzige Wahrheit wird offenbar.
Die Chakras sind die Tore der Wahrnehmung hinein in neue Dimensionen der Realität. Die Bija-Mantras sind die Passwörter oder Schlüssel, die die Tore zu jedem dieser Chakras öffnen, zu jeder einzelner dieser Welten. Bija bedeutet „Samen“ im Sinne einer Potenz oder Destillation, bei der etwas sehr großes in etwas sehr kleines, kompaktes und wesentliches komprimiert wird. Sehr praktisch, um es mit auf Reisen zu nehmen! Denn das machen wir im Leben: unsere Seelen reisen durch die Dimensionen der Wirklichkeit zu unserem wahren Zuhause.
Alle Yoga-Praktiken sind Reinigungspraktiken, die uns helfen, unser Gepäck zu erleichtern, damit unsere Reise geschmeidiger verläuft. Das System der Asanas, der Körperübungen, ist ganz speziell dazu entworfen worden, unsere Körper zu reinigen, die wiederum aus unseren Karmas bestehen. Karmas werden aus unseren Beziehungen erzeugt. Yoga gibt uns die Werkzeuge, die wir benötigen, um unsere Wahrnehmung zu reinigen – indem wir den einzigen Schmutz entfernen, den es gibt: die Unwissenheit, oder „Avidya“. Diese Unwissenheit wird durch falsche Vorstellungen verursacht und davon, nicht in der Lage zu sein, uns, andere und die Realität klar wahrzunehmen.
Wir können unsere Wahrnehmung durch eine einziges Reinigungsmittel säubern, das die wunderbarsten Ergebnisse erzeugt und absolut keine Nebenwirkungen hat. Es ist wie Bleichmittel ohne Chlor. Es ist der unglaublichste Reiniger, der kein Wasser verschmutzt und die Kleidung in der Waschmaschine nicht verschleißt. Der magische Reiniger, von dem ich spreche, ist die Liebe. Wenn du wirklich andere und dich selbst lieben kannst, kannst du Gott lieben. Anderen und uns selbst vergeben zu können sowie das Loslassen von Beschuldigung, Beklagen und Erklären, ist dabei nötig, damit die Liebe ihre Magie ausspielen kann.
Shri Brahmananda Sarasvati beschrieb Yoga als „den Zustand, in dem du nichts brauchst.“ Du erkennst, dass Du ein heiliges Wesen bist – dass Du vollkommen bist. Irgendwann, wenn Dir eine Ahnung dieser heilsamen yogischen Erleuchtung erscheint, wirst du ganz von selbst von selbstsüchtigen Tendenzen loslassen, dich weniger gezwungen fühlen, andere zu beschuldigen oder Dich selbst als Opfer jeder Art von Missbrauch oder Umstand zu sehen.
Manchmal können negative Emotionen während der Asana-Praxis entstehen, weil wir in unserem Körper unsere ungelösten Karmas tragen. Gefühle wie Angst, Eifersucht, Wut, Rache, Zynismus, Zweifel und Mangel an Glauben sind die Ergebnisse von Karmas oder Handlungen, die wir in unserer Vergangenheit getan haben und die nicht von Liebe geleitet wurden. Diese dunklen Emotionen sind Hindernisse, die unseren Blick trüben und uns davon abhalten können, uns mit unserer wahren Natur verbunden zu fühlen. Wir können solchen beunruhigenden Emotionen jedoch mit Liebe begegnen und beginnen, unsere Wahrnehmung weg von Loslösung und hin in Richtung Beständigkeit und Freude zu verschieben – mit anderen Worten zu „sthira“ und „sukham“.
Die Denkidee, als Individuum unser Bestes tun, um das Leben anderer und sogar der Erde selbst zu verbessern, ist in einer Kultur ganz neu, die auf der Annahme beruht, dass die Erde uns gehört. Dass, um glücklich zu sein, wir uns bei anderen bedienen. Die Angst in uns verursacht uns zu spüren, dass, wenn wir etwas abgeben, wir verlieren werden – dass es dadurch für uns weniger gibt. Durch die Yogapraxis werden wir furchtlos und kühn. Anstatt sich unvollständig zu fühlen, motiviert durch die Notwendigkeit, von anderen zu nehmen, um selbst vollständig zu sein, könnten wir es wagen zu fragen: „Was kann ich für andere tun? Wie könnte ich leben, so dass mein Leben unserem Planeten Erde hilft?“
Die Verschiebung unserer Wahrnehmung kann ein großer Umschwung sein, der uns von der kulturellen Konditionierung befreit, die unsere Wahrnehmung der Realität vielleicht schon seit vielen Jahren, sogar vielen Lebenszeiten, verzerrt haben könnte. Selbstloses Handeln aus Liebe wird zu Samadhi führen, einem befreiten Leben als „jivanmukta“, im Licht der Liebe als freudvolle, vollkommene, heilige Wesen.
Original im Englischen: Original im Englischen: Sharon Gannon
Co – Founder of the Jivamukti Yoga method
Peace Yoga Berlin – Jivamukti Yoga School