Genug

 

09/17

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Genug

atha yogānuśasanam


Das jetzt hier ist Yoga, so wie ich ihn in der natürlichen Welt erfahren habe.

Alle die eine seriöse Yogapraxis ausüben, sind aus dem selben Grund zu Yoga gekommen – wir haben es satt. Das bedeutet, wir hatten genug.

Atha bedeutet “jetzt”. Aber es ist mehr als einfach nur “jetzt”; es bedeutet jetzt im Sinne von “hiernach”, oder “von jetzt an”. Die Wichtigkeit dieser Nuance ist, dass sie impliziert, dass was auch immer jetzt geschehen ist, hiernach, anders sein wird. Also spricht Patanjali in seinem ersten Sutra direkt zu denjenigen von uns, die genug von den Dingen haben, wie sie jetzt sind. Alle haben eine andere Geschichte, über die Form die das Genug-haben für sie annimmt – ein miserabler Job, ein Leben auf Drogen, eine belastete Beziehung etc. Aber grundsätzlich ist es für Alle die zum Yoga kommen gleich – an einem bestimmten Punkt im Leben machen wir Inventur und fragen uns, wie viel ist wirklich großartig und wie viel ist Leiden. Und wir kommen zu dem Ergebnis, dass es weitestgehend Leiden ist – auch wenn das Leiden relativ mild ist, wie “alles ist in Ordnung, aber ich weiß es gibt mehr im Leben”. Die meisten Menschen sind nicht da; sie sind noch nicht bereit sich von dem alten Model zu lösen. Manche mögen ihr Leiden sogar und identifizieren sich damit. Sie sind noch nicht an dem Punkt an dem sie wirklich genug hatten, um zu sagen: “Okay, was Anderes ist da noch? Ich werde oben und unten suchen, um es zu bekommen.” Aber für diejenigen von uns, die genug haben, die schnappt sich Patanjali und sagt “du bist bereit das Andere zu hören.” Das ist die gute Nachricht von diesem ersten Wort atha.

Das Wort shasanam kann als eine Reihe von Regeln verstanden werden, eine Disziplin die sich von Außen an uns anwendet, ein Satz an Anleitungen für das was wir als nächstes tun sollen. Das wort „anu“ bedeutet „danach“ oder „folgend“. Das Yoga Sutra erklärt uns, dass diese Lehre und alle folgenden am besten im jetzt verstanden werden können, im gegenwärtigen Moment und unter den aktuell herrschenden Bedingungen. Das Verständnis entspringt deinen eigenen Erfahrungen im Inneren, wenn du in diesem gegenwärtigen Geisteszustand bist. Zum Beispiel – “Ich habe Durst, also hole ich mir einen Schluck Wasser.” Es ist so einfach, wir denken dabei nicht an eine Regel: Wenn du Durst hast, musst du dir einen Schluck Wasser holen. Oder wenn du hungrig bist, musst du essen. Wir machen es einfach. In diesem Sutra sagt uns Patanjali, dass Yoga genau so eine Sache ist, die natürlich kommt. Es fließt von uns, durch uns, und tatsächlich, wenn wir einfach aus dem Weg gehen könnten, dann wäre es frei sich in unseren Leben zu manifestieren. Und das ist die Praxis von Yoga – die Praxis des Aus-dem-Weg-Gehens.

Natürlich ist es sehr schwer diese Dinge, die den natürlichen Strom von Weisheit und Reinheit blockieren, loszulassen, denn sie sind Teil unserer Kultur und neurotikuliert worden. Das sind die Wege, mit denen wir es mit der Welt aufnehmen, unser Nein. Ich-Verteidigungen: Wie schwer wir es haben und wie undurchdringlich unsere Probleme sind. Aber Patanjali sagt uns, dass genau das die Teile von uns sind, die unnatürlich sind, die uns auferlegt wurden und die wir ablegen könnten wie wir unsere Kleidung ablegen können. Hundert Prozent von dem was uns einschränkt, ist in unserem Geist und hat sich auf unterschiedliche Art und Weise in unseren Körpern konkretisiert.
Also ist die Yoga Praxis dafür gedacht, uns zu zeigen, wo diese Energie feststeckt, ob in unserem Geist, unseren Schultern oder Hüften. Auf diese Weise wird Yoga häufig als Disziplin bezeichnet. Aber es ist wichtig zu verstehen, dass es keine Disziplin ist, die uns von außen aufgezwungen wird, oder im Fall von Lehrern, keine Disziplin ist, die wir Anderen aufzwingen. Es ist eine Disziplin, die natürlich entsteht. Wenn wir uns durch die Schwierigkeiten der Praxis bewegen, was auch immer sie sein mögen, verstehen wir dass die Begegnung mit den Schwierigkeiten ein gesegneter wohltuender Moment und eine Chance ist. Es ist kein Scheitern. Aber eine Gelegenheit, um darüber zu reflektieren was uns voneinander trennt, die Natur des Leidens in unserem Leben, die Rolle die Vorurteile und Fixierungen in unserm Leben spielen, etc., und diese einfach loszulassen. Es kann sehr schnell passieren, in nur einem Augenblick, aber es kann sich auch seine Zeit nehmen; es ist nicht einfach eine vorsichtig konstruierte Rüstung abzulegen. Der große Lehrer Dharma Mitra sagt gerne “Dreh’ durch und mach’ es!” Habe genug! Aber mach’ es nicht, weil ein Lehrer dir es sagt oder weil es eine Regel ist; mach’ es aus deinen eigenen Gründen, weil du genug hast davon, wie die Dinge bisher waren und du sie verändern willst. Mach’ es, weil du es machen willst. Mach’ es, um einen grausamen Diktator loszuwerden – dein eigenes Identifizieren mit deinen Gedanken. Mach’ es als deine persönliche Revolution. Atha …

Original im Englischen:
David Life
Co – Founder of the Jivamukti Yoga method

Übersetzung ins Deutsche: Katharina Seeger
Peace Yoga Berlin – Jivamukti Yoga School

Teaching Tips

1. Shri Brahmananda nannte die Yoga Praxis den Prozess der Dehypnotisierung. Wir können besonders die Meditations-Praxis als eine Möglichkeit nutzen, um zu sehen was und wo unsere “Hindernisse zur Natürlichkeit” sind, als einen ersten Schritt diese abzubauen.

2. Ermutige Menschen ein Tagebuch nach der regelmäßigen Praxis zu führen, im Yoga Studio und zu Hause. Nur einige Zeilen, um Muster in der Praxis zu erkennen und wann diese am stärksten oder schwächsten sind.

3. Arbeite mit YS 1.14 des ersten Kapitels über den Verlauf des Monats, um zu schauen, wie Patanjali die Bewegungen des Geistes behandelt, mit dem Fokus auf YS 1.12, dass Konsistenz der Schlüssel in abhayasa ist, damit das Genug-haben nicht zum ausgebrannt sein führt.